Steuerung X

Nach langer Zeit eine SMS von ihm: „X“ Das ist alles, was er mir noch schreiben kann.

Steuerung X: löschen. Was will er mir sagen?

Ich habe hier eine große Tasche voll mit Festplatten, mehrere Kilo Elektronik. Die Festplatten enthalten Tausende Fotos, vermutlichen Zehntausende. Oder noch mehr. Roter Teppich, Reportagen, Bundespressekonferenz, Aufträge für Zeitungen, Unternehmen und Magazine, Fotos aus der DDR, Familienfotos und wer weiß, was noch. Das ist sein Lebenswerk. Er war ein sehr guter Fotograf, mit einem ganz besonderen Blick. Über 30 Jahre hat er seinen Beruf geliebt und gelebt.

Die Festplatten sind unlesbar, nicht mehr funktionsfähig. Was hat er mit ihnen gemacht? Ich weiß es nicht, und er kann es nicht mehr erzählen. Ein Freund, der ihn da oben an der Küste besucht hat, hat die Platten auf meinen Wunsch hin mitgebracht. Dass sie unlesbar sind, hatte ich bei meinem letzten Besuch bei ihm festgestellt. Über 30 Jahre Arbeit weg, gelöscht, zerstört, verschwunden, alles weg. Steuerung X.

Ist das nicht eine bösartige Ironie des Schicksals, dass sich nicht nur sein Hirn, sondern auch sein Lebenswerk in nichts auflöst? Ja, ich hätte mich früher um sein Archiv kümmern müssen. Als er noch bei mir lebte, waren die Fotos noch da. Steuerung S, gesichert. Aber die Zeit fehlte. Ich war mit dem Alltag schon völlig überfordert: arbeiten, Kinder großziehen, pflegen. An die Rettung seines Archivs war nicht zu denken. Ich habe an die Festplatten nicht eine Sekunde gedacht, als es darum ging, das Leben ohne Vater zu organisieren.

Ich werde versuchen, zu retten, was zu retten ist.