Abschiede sind wir inzwischen gewohnt. Und doch fällt dieser besonders schwer: der Abschied vom Job. Für meinen Mann ist sein Beruf viel mehr als nur ein Job zum Geldverdienen. Für ihn ist sein Beruf Leidenschaft, die Möglichkeit sich künstlerisch auszudrücken und Erfüllung. Mein Mann ist Fotograf. Ohne seine Kamera geht er selten aus dem Haus.
Im Job haben wir uns damals auch kennengelernt. Wir waren ein prima Team: Er der erfahrene Fotograf, ich die junge Volontärin. Wir sind immer noch ein Team. Oder waren es, bis er an FTD, Variante PnfA, erkrankte. Unsere gemeinsam produzierten Reportagen waren gefragt. Wir entwickelten zusammen viele Themen, planten, wie man sie am besten umsetzen könnte. Und zogen dann mit Kamera und Block los. Wir guckten am liebsten dorthin, wohin sonst kaum jemand schaut. Dort gab es Geschichten, die bisher keiner erzählt, Fotos, die noch niemand geschossen hatte. Die etwas abseitigen Themen waren unsere Spezialität. Diese Arbeit fühlte sich für uns beide selten wie Arbeit an. Wir liebten es, ein Stück der Welt einzufangen − er mit Fotos, ich mit Sprache. Bild und Text ergänzten sich perfekt, fast als ob ein und dieselbe Person getextet und fotografiert hätte. Mit niemandem habe ich jemals so gern und so gut zusammengearbeitet wie mit meinem Mann.
Doch jetzt schließt sich auch dieses Kapitel. Das macht ihn sehr traurig und mich auch. Für mich ist dieser Abschied fast noch schmerzhafter als der von unserer Liebesbeziehung. Aber die Zusammenarbeit ist nun mal an Kommunikation gebunden, und da er mich jetzt oft nicht mehr richtig versteht, wenn es kompliziert wird, können wir kein Reporter-Team mehr sein. Die Text-Bild-Schere hat sich geöffnet. Außer Leidenschaft und Erfüllung muss ja auch das Geld zum Leben das Ergebnis der Arbeit sein. Ich kann nicht riskieren, Auftraggeber zu verlieren.
Natürlich fotografiert er weiter, unbeauftragt, unbezahlt, ziellos. Mit vollen Speicherkarten kehrt er von seinen Streifzügen durch die Stadt zurück und sitzt dann stundenlang am Rechner, um Bilder zu bearbeiten, die keiner bestellt hat und die keiner braucht. So gehen wir jetzt auch hier getrennte Wege. Ich werde mir zum Arbeiten einen neuen Kollegen suchen müssen. Er wird weiter mit der Kamera seinen sprachlosen, fast schon autistischen, aber immer noch sehr speziellen Blick auf die Welt richten.
Liebe Aphasia, wie gut, dass er das noch macht! Wie gut, dass er seine Welt noch festhält, so, wie er es immer getan hat! Und wenn es nicht in Auftrag gegeben ist – es ist seine Sicht. Und bestimmt auch eine ganz besondere. Alles Liebe!
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