Zusätzlich zur Demenz trennt uns jetzt auch noch Corona. Wir dürfen ihn nicht mehr auf der schönen Insel besuchen, sie ist schon länger abgeriegelt. Wann wir wieder zu ihm können, weiß niemand. Am Telefon kann ich nicht erfahren, ob er unter den neuen Bedingungen zurechtkommt. So dürfte der Ort, an dem er ein günstiges Mittagessen bekommt, jetzt geschlossen sein. Ich glaube, er versteht meine Fragen nicht mal richtig. Vermutlich versteht er sowieso nicht, was gerade um ihn herum vorgeht.
Seine Schwester, die ihn ja eigentlich betreuen soll, traut sich kaum noch aus dem Haus. Sie ist lungenkrank und über 60, gehört also zur Risikogruppe für schwere Covid-19-Verläufe. So bekommt er noch weniger Hilfe als sonst. Bisher hatte sie ihn zweimal im Monat besucht – viel zu wenig, wie ich finde.
Einen Vormittag lang habe ich mich durch die halbe schöne Insel telefoniert: Pflegestützpunkt, Sozialpsychiatrischer Dienst, Sozialamt, Bürgeramt. Wer kann in diesem speziellen Fall helfen? Die Antwort der Ämter nach langen Gesprächen: niemand. Es ist sein gutes Recht, so zu leben wie er will, meinen die Fachleute. Erst bei Eigen- und Fremdgefährdung kann er in ein Heim zwangseingewiesen werden. Vorher gibt es keine Handhabe. Muss also erst etwas passieren?
Es ist das selbe Dilemma wie damals bei mir in Berlin. Das ungute Gefühl bleibt. Fast hoffe ich, dass irgendetwas passiert, dass er den Abstand nicht einhält, nicht versteht, dass er zurücktreten muss, jemandem zu nahe kommt. Dass man die Polizei holt und er in ein Einrichtung kommt, weil deutlich wird: Er kann jetzt nicht mehr allein leben. Die Frage ist nur: Wem würde das helfen? Ihm oder doch eher mir?