Um ein Kind großzuziehen braucht man ein ganzes Dorf, heißt es. Wie viele Helfer sind dann nötig, um einen Kindergeburtstag mit sieben Kindern und einem dementen Vater zu organisieren? Eine mittlere Kleinstadt? Nicht ganz, aber doch eine ganze Menge Menschen haben geholfen, damit der siebte Geburtstag meiner Jüngsten so gefeiert werden konnte wie sie es sich gewünscht hat – mit ihren Freundinnen und mit ihrem Papa.
Ein Nachbar, der meinen Ex-Mann von früher kennt, hat ihm eine Übernachtungsmöglichkeit in der Nähe besorgt, damit meine große Tochter nicht wieder Reißaus nehmen muss, wenn ihr Vater nach Berlin kommt. Der alte Bekannte ist auch nach dem Fest mit meinem Ex-Mann ins Kino gegangen – die beiden haben sich einen Film angesehen, der in der Jugendzeit meines Ex-Mannes spielt. So konnte ich in Ruhe aufräumen und das aufgeregte Geburtstagskind ins Bett bringen.
Wir haben bei uns zuhause im Hinterhof gefeiert. Einige Nachbarn kamen spontan dazu und setzten sich mit an den Geburtstagstisch. Keiner störte sich daran, dass mein Ex stumm und mit leerem Blick zwischen uns hockte. Denn alle wissen jetzt, das er FTD hat. Und ich weiß jetzt, dass es viel besser ist, offen mit dem Thema umzugehen. Es gibt doch viel mehr Verständnis als bisher vermutet.
Die Kinder spielten ausgelassen im Hof, machten eine Schatzsuche und futterten Kuchen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Ex sich wohlfühlte und es genoss, mit uns im Hof zu sitzen, so wie wir früher oft mit unseren Nachbarn im Hof gesessen haben. Die vielen bekannten Gesichter und Stimmen schienen ihn wacher zu machen. Plötzlich rief er: „Kamera!“ Ich fragte, ob er Fotos machen wolle. Er nickte. Es stellte sich heraus, dass er keine Kamera dabei hatte. Das wäre früher undenkbar gewesen. Er war nie ohne Kamera unterwegs, schon gar nicht bei einer Feier. Er war immer ein Fotograf, für den es zwischen Beruf und Privatleben keine Grenze gab. Ich holte meinen kleinen Apparat aus der Wohnung. Und er fotografierte tatsächlich eine Weile. Das fand ich schön, weil es die alten Zeiten für einen Augenblick zurück brachte. Und traurig, weil mir einfiel, dass meine Jüngste sich an diese alten Zeiten gar nicht erinnern kann. Er ist schon seit etwa fünf Jahren krank. Als er noch gesund war, war unsere Kleine zu klein, um daran Erinnerungen zu haben. Für sie wird ihr Vater immer der Kranke sein und bleiben. Sie wird nie daran zurückdenken können, wie liebevoll und fürsorglich er war, wie gut er ihr Geschichten erzählen und vorlesen konnte.
An diesen Kindergeburtstag aber wird sie sich erinnern. Es war ihr bisher schönster, wie sie abends im Bett sagte. Und am schönsten fand sie, dass ihr Papi dabei war.
Ich freue mich für euch!
Herzliche Grüße, Peter
LikeGefällt 1 Person
Das ist so rührend, mir kamen die Tränen. Ich lese diesen Blog von Anfang an. Mein Vater hatte genau diese Art der ftd, diese scheiß Krankheit. Er ist letztes Jahr verstorben. Ich war mir sicher, dass er auch, als er sich verbal nicht mehr äußern konnte, jeder Zuwendung wahr nahm und in den Augen konnte ich das immer sehen. Ihr ex Mann, da bin ich mir sicher hat das auch gespürt, Freude und ein gutes Gefühl. Schön, dass er dabei war und sie ihm diese Momente geschenkt haben. An diese werden sie sich sicher später erinnern, das tut gut. Ich wünsche ihnen für die weitere Zeit viel mentale Kraft, toll wie sie es meistern. Schöne Grüße
LikeGefällt 1 Person