Scheidung

Wir sind jetzt geschieden. Ja, ich habe mich von meinem kranken Mann scheiden lassen. Und ich stehe dazu. In guten wie in schlechten Zeiten – diesem Ideal kann ich nicht genügen. Das habe ich eingesehen nach langem, viel zu langem Zögern.

Für meine zugegeben harte Entscheidung wurde und werde ich verurteilt, beleidigt, herabgesetzt. Viele können nicht verstehen, wie ich das tun konnte. Wie sollten sie auch? Niemand dieser selbsternannten Moralrichter, die sich Freunde nannten, haben jemals mit einem Partner leben müssen, mit dem keine Nähe, keine Partnerschaft mehr möglich ist. Wenn man das nie erlebt hat, diese grandiose Einsamkeit an der Seite eines Menschen, den man einmal geliebt hat. Wenn man nie erlebt hat, wie der Mensch, den man geliebt hat, immer mehr verschwindet und an seine Stelle ein Mensch tritt, den man nicht kennt, der zu keiner Anteilnahme mehr fähig ist, dem man nichts mehr bedeutet – wie soll das auch irgendjemand verstehen?

Erst ein gutes Jahr ist die Diagnose alt. Die Krankheit hat schon mehr Jahre auf dem Buckel. Ich schätze, dass wir schon mindestens vier Jahre mit dem Monster FTD leben. Vier Jahre, in denen ich die Familie nahezu allein ernähren musste, alle Entscheidungen allein treffen musste, die Kinder allein erziehen musste und mich abgrundtief einsam gefühlt habe. Verdammt, dann WILL ich auch endlich allein sein. Und frei. Immerhin auf dem Papier bin ich das jetzt.

Die Verpflichtungen bleiben. Er auch. Und die Probleme erst recht. Aber ich fühle mich frei. Nicht nur auf dem Papier.

5 Gedanken zu “Scheidung

  1. Es braucht viel Mut zu dieser Entscheidung. Wenn uns (nebst der Krankheit) unter anderem auch fehlende Unterstützung von Familie und Freunden und finanzielle Verpflichtungen zu solchen Schritten nötigen, muss bei Gesellschaft und Staat überprüft werden, ob nicht Handlungsbedarf besteht. Für mich ist klar, dass Anpassungen gemacht werden müssten.
    NB Bei uns muss der Partner urteilsfähig sein, und dass ist auch nicht immer gegeben.
    Take care.

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  2. Da es hier nicht um Schuld geht, ist jegliche „Verurteilung“ unangemessen.

    Davon abgesehen sollte sich jeder, der sich anmaßt hier ein Urteil abzugeben, erst einmal über die Sachlage kundig machen.
    Letztlich können nur betroffene Caregiver (eine gute deutsche Bezeichnung ist mir leider noch nicht untergekommen, bzw. eingefallen) verstehen, worum es hier überhaupt geht!

    Ich wünsche allen Betroffenen Gottes Segen!
    Karl

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