Die Ratte verlässt das sinkende Schiff. Genau so fühle ich mich: wie eine Ratte, die nur ans Überleben denkt, die keine Moral kennt, keine Werte. Ratten überleben alles – sogar Atomunfälle. Das können sie nur, weil sie sich aufs Überleben konzentrieren und alles andere für sie keine Rolle spielt. Die Ratte frisst alles, was sie kriegen kann, nimmt mit, was immer geht. All das hat nur ein Ziel: überleben.
Ich mutiere mehr und mehr zu einer menschlichen Ratte. Bei allem, was ich kriegen kann, schnappe ich zu. Aufmerksamkeit? Her damit! Zuwendung? Aber immer doch! Gerne noch ein Nachschlag. Es ist der Wille diese verfluchte FTD zu überleben, der mich zu einem Menschen ohne Moral, zu einer Ratte, macht. Aber ich kann nicht anders. Moral ist eine Kategorie, die ihre Bedeutung verloren hat, wenn man einen Partner mit FTD hat. Zumindest die Moral, die allgemein Konsens ist: Man hält zu seinem Partner, egal, was passiert. Treue ist enorm wichtig. Bis der Tod uns scheidet. All das kann sich nur jemand ausgedacht haben, der nichts von frontotemporaler Demenz gewusst hat. Jemand, der keine Ahnung hat, wie einsam diese Krankheit macht. Dass man als gesunder Partner neben einem emotionalen Eisblock leben muss, neben einem Zombie, dessen Gefühlsleben praktisch nicht mehr existent ist. Ein Leben ohne Ansprache, ohne Nähe.
Ich kann das nicht und meine Kinder auch immer weniger. Meine Große ist jetzt endlich bereit, psychologische Hilfe anzunehmen. Darüber bin ich sehr froh. Der Leidensdruck ist auch bei ihr zu hoch geworden. Und ich nehme alles, was ich kriegen kann. Auch für meine Kinder.
Also ich glaube jeder der schon einmal den Verfall eines Menschen, den er mal liebte, mitanschauen muss, kann nachvollziehen, was du da schreibst. Ich weiß, man hasst sich mitunter für diese Empfindungen, aber du und deine Kinder ihr müsst sosososo viel aushalten, wie solltet ihr da nicht so fühlen?
Eine Umarmung!!!
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