Die FTD hat 1000 schlimme Auswirkungen. Sie klaut die Liebe, das Geld, die Lebensfreude, die Zukunft. Aber die schlimmste Folge von allen ist die Einsamkeit. Die Einsamkeit zu zweit.
Jeden Abend sitzt er im selben Wohnzimmer wie ich, meist sogar auf der selben Couch. Und trotzdem ist er gar nicht da. Besonders, wenn der Fernseher läuft. Also eigentlich immer. Er wird völlig absorbiert von dem Geflimmer auf dem Bildschirm. Das kenne ich sonst nur von ganz kleinen Kindern. Stundenlang starrt er in den Kasten. Wie ein Magnet wirkt der Bildschirm auf ihn. Die Tasse Tee, das ich ihm fürsorglich eingegossen habe – er vergisst immer zu trinken –, bleibt den ganzen Abend unangerührt. Die FTD klaut auch das Durstgefühl.
Wollte man meinen Mann von irgendetwas abhalten, müsste man nur einen Fernseher oder Computer anschalten. Ob Kinderfilm, Castingshow oder Krimi ist völlig egal. Er würde innehalten, draufstarren und augenblicklich vergessen, was er vorhatte. Bildschirmbilder, egal welchen Inhalts, sind für in deutlich attraktiver als echte Menschen. Inzwischen lasse ich ihn glotzen und mache mein eigenes Ding. Zum Beispiel diesen Blog.
Ich könnte auch meinen ebenfalls einsamen Nachbarn besuchen, der genau unter mir seine Wohnung hat. Die Einladung wird immer wieder erneuert, wenn ich ihm im Treppenhaus über den Weg laufe. Aber das kriege ich nicht hin: mit einem anderen Mann einen schönen Abend haben, lachen, reden, sich wohlfühlen. Und ein Stockwerk drüber hockt mein Mann mit seinem halbtoten Hirn regungslos vor der Glotze. Einmal war ich aber doch beim Nachbarn. Als mein Mann in der Klinik war. Das war schmerzhaft schön, weil es mich daran erinnert hat, wie es früher war, als mein Mann noch gesund war.
Ich habe die Klinik-Woche ganz bewusst dazu genutzt zu testen, wie es sich anfühlt, wenn ich mit meinen Kindern allein lebe. Es hat sich sehr gut angefühlt, das Leben ohne FTD im Haus. Frei, herrlich normal – und kein bisschen einsam. Auch mein Teenager-Mädchen traute sich plötzlich viel öfter aus ihrem Zimmer und nahm wieder etwas mehr am Familienleben teil. In der ganzen Wohnung breitete sich ein entspanntes, angenehmes Lebensgefühl aus. Ich mochte mein Leben wieder.
Darf ich das denken? Dass das Leben ohne meinen FTD-kranken Mann besser wäre, schöner, weniger einsam? Auch für die Kinder? So oder so – es ist nun mal die bittere Wahrheit. Ich wäre viel lieber allein als einsam zu zweit. Ich bin sehr sicher, dass ich mich alleine überhaupt nicht einsam fühlen würde.
Diese Gedanken machen mir ein extrem schlechtes Gewissen. Dann lege ich „Hurt“ von Johnny Cash auf, dem Schmerzensmann des Country.
Beneath the stains of time
The feelings disappear
You are someone else
I am still right here
Ja, das kann ich glatt unterschreiben.
Das schlechte Gewissen wird bleiben. Egal, wie Sie sich drehen und wenden. Dies kann ich gut nachvollziehen. Natürlich wird zu fast 100% die Umwelt Sie als die schlechteste Ehefrau aller Zeiten abstempeln, brandmarken. Aber so hart wie es klingen möge: Sie haben noch eine Zukunft. Und Hartz 4 ist keine, nicht mal eine Option.
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hallo
ich gehe ab und zu in das Internet Forum Senioren Treff , da hab ich den ein und anderen Mail Kontakt, ist manchmal recht Intressant.
manni
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Ich kann Sie sehr gut verstehen. Es ist immer für mich ein Schuldgefühl und Wut. Die Krankheit ist einfach da. Meinem Mann geht es im Pflegeheim gut und er wird rund um die Uhr betreut. Als ich das letzte mal bei ihm war, war ich mir mit sicher, ob er mich noch erkennt. Er bekommt das Essen nur noch püriert. Das ist ein Schmand, den ich auch nicht gern essen würde. Kinderspielzeug für Dreijährige hat ihm noch ein bisschen Spaß gemacht. Was in den Menschen mit dieser Krankheit vorgeht, können wir nicht erfassen, was es so schwer macht. Da hilft nur langsam Abschied zu nehmen. Unser Leben geht weiter und wir werden auch noch glückliche Momente erleben. Gute Sprüche von wie: Sieh dann mal nach vorn“ sind nicht besonders angebracht, weil die Angehörigen nicht wissen, was in uns vorgeht. Das kann man ihnen auch nicht übel nehmen. Wenn es auch schlimm klingt, so würde ich mir ein Ende wünschen. Ein Aufrechterhalten seines Lebens mit Magensonde halte ich nicht gut, da es sein Leben etwas verlängern wird, was nicht erstrebenswert ist.
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Das sehe ich ganz genau wie Sie. Die Magensonde hat mein Mann schon per Patientenverfügung ausgeschlossen.
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ich glaube , mit Wut wird es auch nicht besser, wir können es sowieso nicht mehr ändern, und die guten Ratschläge auf die kann man gut verzichten
ich nehme es so wie es ist, sonst würde ich verzweiflen,und
das mit der Magensonde bin ich der gleichen Meinung, ich würde es niemals zulassen.
lg
manni
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