Ich hasse Fragen

Alle Welt scheint heute den Hass zu verachten. Ich allerdings finde Hass völlig ok und natürlich. Zum Beispiel hasse ich die FTD. Es gibt nichts, dass ich jemals so gehasst habe. Und ich fange an Fragen zu hassen. Fragen wie: Was ist mit ihm? Habt ihr schon…? Warum geht ihr nicht mal zu…? Kann er überhaupt noch…?

Seit er krank ist, bin ich zu einer Art Infostelle geworden. Ihn selbst fragt keiner mehr irgendwas. Wird er schon nicht mehr als vollwertige Person gesehen? Vermutlich. Klar, Demenz heißt für die meisten ja gaga. Sogar seine Bekannten fragen mich, wenn sie wissen wollen, was los ist, nicht ihn. Dabei versteht er doch noch (fast) alles und kann sogar kurze Antworten geben. Ich hasse es, dass er ignoriert wird und die Fragen nur an mich gerichtet werden. Manchmal sogar, wenn er dabei ist. Höflichkeit und gutes Benehmen – offenbar überflüssig wenn es um einen Demenzkranken geht.

Es kostet mich viel Zeit, Familie und Freunde ständig auf dem Laufenden zu halten. Fünf Jobs, zwei Kinder und ein Mann, der langsam zum Pflegefall wird, lassen nicht viel Raum. Das bisschen Zeit, was mir bleibt, möchte ich lieber mit erfreulichen Dingen verbringen.

Und dann diese unverschämte Neugier. Bekannte, die sich ewig nicht gemeldet haben, rufen plötzlich an. Und wollen es wissen. Aber bitte ganz genau. Ach, wie krass! Wirklich? Die pure Lust an der Katastrophe – wie Gaffer bei einem Autounfall.

Nee, darauf hab ich kein Fett mehr. Hilfe kann man von Gaffern sowieso nicht erwarten. Gaffer sind nur heiß auf eine spektakuläre Geschichte, mit der sie sich wichtig machen können. Ich sehe nicht ein, warum ich ihnen den Gefallen tun soll. Also ihr Gaffer: hier gibt es nichts zu glotzen. Move on! Wer nur Interesse an der Katastrophe hat, aber nicht an uns, kann mir gestohlen bleiben. Das wird den ohnehin schon kräftig geschrumpften Freundeskreis weiter ausdünnen. Aber das ist es wert.

Sehr befreiend die Erkenntnis.