Unsere guten Orte

Was macht man, wenn der Liebste kein Gespräch mehr führen kann und auf Gesellschaft anderer Menschen kaum noch Wert legt? Seit einem halben Jahr weiß ich, dass er FTD, Variante PnfA hat, und all die Verhaltensveränderungen, die mich schon seit Jahren stören, ihren Grund in dieser Krankheit haben. Es macht mich traurig, dass Freunde und Bekannte noch schlechter mit diesen Veränderungen zurechtkommen als ich. Aber wir haben inzwischen auch Dinge gefunden, die für uns als Paar immer noch gut funktionieren. Einige sogar besser als früher.

Passend zum Valentinstag stelle ich unsere Liste der guten Orte vor:

Sauna

Wir haben sie schon immer sehr gemocht – jetzt lieben wir sie noch mehr. Nirgendwo kann man – muss man – so gut schweigen wie bei 90 Grad auf Holzbohlen. Und weil im Idealfall alle Mitschwitzer die Klappe halten, fällt mein sprachloser Begleiter gar nicht weiter auf. Und genau das ist die größte Entspannung in der Sauna. Für ihn und für mich.

Kino

Filme und das Kino haben wir auch schon immer geliebt. Es gibt eine gemeinsame berufliche Vergangenheit, die mit dieser Branche verknüpft ist – sweet Memories! Auch hier das Argument: man darf, nein muss schweigen und hat trotzdem einen schönen Abend zusammen. Allerdings ist der Austausch über das Gesehene ein Monolog. Man kann eben nicht (mehr) alles haben.

Milonga (Tango-Tanzveranstaltung)

Schwierig, aber machbar. Und vor allem für den FTD-Menschen beste Therapie. Wenn es gut läuft, hat auch der gesunde Partner was davon. Kommt sogar ab und zu auch bei uns noch vor. Im besten Fall versöhnt der Tango den gesunden Partner mit der kaputten Situation. Wenigstens für einen Tanz. Da der Tango eine Sprache ohne Worte ist, ist er für Aphasiker eine sehr gute Möglichkeit sich auszudrücken. Wenn die Verbindung im Tango klappt, fühlen wir uns auch auch Paar wieder stärker miteinander verbunden. Tanzwettbewerbe werden wir allerdings nicht mehr gewinnen. Aber darum geht es beim Tango Argentino zum Glück auch gar nicht.

Bett

Ich weiß natürlich, dass sich dieses Thema für viele Betroffene erledigt hat. Oft hat der Kranke kein Interesse mehr an körperlicher Nähe oder der gesunde Partner kommt mit den veränderten Bedürfnissen des anderen nicht zurecht. Aber wenn man es hinbekommt, die Verbindung zu erhalten, dann kann das Bett ein guter Ort für beide sein. Den Anspruch, dass es hier so sein soll wie früher, muss man allerdings aufgeben. Sonst macht das Bett nur noch trauriger.

Das ist meine ganz persönliche Liste, die für uns im Moment gut funktioniert. Sie wird bei anderen FTD-Paaren sicher völlig anders aussehen. Vielleicht länger sein oder auch kürzer. Wichtig ist nur, etwas Gemeinsames zu haben, das die Krankheit in den Hintergrund drängt. Dieses Monster beherrscht einen viel zu großen Teil unseres Lebens. Es hat diese Paraderolle nicht verdient!

Ich gehe davon aus, dass sich unsere Liste im Laufe der Krankheit immer wieder ändern wird. Vor allem wird sie kürzer werden. Was ich aber hoffe: dass es immer eine Liste der guten Orte für uns geben wird – wie immer sie auch aussehen mag.

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